Essstörung Recovery

Vollständige Recovery von der Essstörung

Was ist das?

Das Wort „Recovery“  bedeutet übersetzt so viel wie „Heilung“ oder „Genesung“.

Im Zusammenhang mit Essstörungen bedeutet dies, den Körper zu heilen, indem wir ihn wieder mit Nahrung, also Energie und Nährstoffen, versorgen. Durch Mangelernährung (Anorexia Nervosa, Orthorexia nervosa), Erbrechen (Bulimia nervosa), Abführmittelmissbrauch, extremen Sport (Anorexia athletica), Essanfälle (Binge-Eating) und weitere ungesunde Verhaltensweisen, erleidet der Körper Schädigungen, die wieder repariert werden müssen.
Echte Recovery geht jedoch über die Wiederherstellung des Körpers hinaus. Auch das Gehirn erfährt durch die oft jahrelang ausgeübten Verhaltensweisen Veränderungen und wird durch die fehlende Nährstoff- und Energiezufuhr geschädigt, was zu einer Abnahme der Gehirnmasse führt.
Neuronale Netze, die durch die Essstörung im Gehirn oft über Jahre entstehen und zu schädlichen Gedanken und Verhaltensweisen führen, müssen neu verknüpft werden.
Nur so können gesündere Verhaltensweisen erlernt und damit der Kreislauf der Essstörung nachhaltig unterbrochen werden.
Vollständige Recovery erfolgt nur im Zusammenspiel von körperlicher und geistiger Heilung.

Heilungschancen

Kann man eine Essstörung wirklich vollständig überwinden? Und wie sieht so ein Leben danach aus?

Noch immer ist die Meinung weitverbreitet, dass es keine hundertprozentige Möglichkeit gibt, diese Krankheit zu besiegen. Oft wird der Vergleich zu anderen Süchten wie etwa „Alkoholismus“ herangezogen. Ein mal süchtig – immer süchtig. Können wir also lediglich „trockene“ Essgestörte werden? Und was macht das mit uns, wenn wir dieses Bild von uns selbst haben?
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Heilungschancen bei allen Essstörungen umso größer sind, je früher mit einer professionellen Beratung und Therapie begonnen wird. Auch das Alter der Betroffenen, die Dauer sowie die Art der Essstörung haben einen Einfluss auf den Erfolg der Recovery.
Bei der Magersucht liegen die vollständigen Heilungschancen bei etwa 40 Prozent. Weitere 30–40 Prozent weisen auch nach (stationären) Therapien weiterhin Symptome auf, die zwar nicht mehr die Kriterien einer klinischen Diagnose erfüllen, den Alltag aber dennoch beeinträchtigen können. Dieser Zustand wird „Quasi-Recovery“ genannt.
10-20 Prozent sind auch 10 Jahre nach ihrer Therapie noch immer in der Krankheit gefangen.
An Ess-Brechsucht (Bulimie) Erkrankte erreichen zu etwa 50 Prozent die vollständige Recovery.
In der Behandlung von Essanfällen (Binge-Eating-Störung) zeigen sich die größten Erfolge. Hier schaffen es Zwei Drittel der Betroffenen wieder vollständig gesund zu werden.

Vollständige Recovery

Wenn ich persönlich gefragt werde, was vollständige Recovery bedeutet, dann ist das erste Wort, welches mir einfällt „Freiheit“.
Vollständige Recovery bedeutet nicht nur die Gewichtszunahme bis zum Mindest-BMI, sondern auch das Entwickeln eines gesunden Mindsets rund um deinen Körper, dein Gewicht und das Essen.
Wie oft kommt es nach Klinikaufenthalten zu Rückfällen, weil das Gewicht zwar wieder im „Normalbereich“ ist, der Kopf aber noch gar nicht gelernt hat, mit den Veränderungen umzugehen? Der wichtige Schritt des Aufbaues neuer neuronaler Verknüpfungen im Gehirn findet meist nicht statt, denn er dauert viele Monate und ist erst ab einem Mindestgewicht überhaupt möglich. Du kannst dir das vorstellen wie Trampelpfade im Kopf. Auch sie müssen oft und lange begangen werden, damit sie irgendwann zu großen, leicht befahrbaren Straßen werden.

Woran wirst du merken, dass du vollständig recovered bist?

Für mich war der wohl wichtigste Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass ich die Essstörung komplett hinter mir gelassen habe, als sich ein Gefühl der Freiheit und Nachsicht mit mir selbst einstellte. Das Leben war plötzlich so viel voller mit schönen Dingen und ich bekam Raum für all das, was mir wirklich wichtig ist.

Nachfolgend möchte ich dir ein paar Punkte mitgeben, die für mich und viele andere ehemalige Betroffene eindeutige Zeichen dafür sind, dass sie den Weg aus der Essstörung wirklich geschafft haben:

  • Du kannst dein natürliches Körpergewicht und deine Körperform akzeptieren und dich annehmen, wie du bist: Dein Körper pendelt sich bei seinem ganz persönlichen Wohlfühlgewicht (unabhängig vom BMI) ein
  • Der Drang deinen Körper verändern zu wollen verschwindet
  • Deine Ängste rund ums Essen und Zunehmen verschwinden
  • Du hast nicht länger eine selbstzerstörerische Beziehung mit dem Essen oder  dem Sport –> Essen/Sport werden nebensächlich – andere Lebensbereiche dafür spannender und wichtiger
  • Essen und Gewicht nehmen eine angemessene Stellung in deinem Leben ein und was du wiegst, ist nicht wichtiger als das, wer du bist
  • Zahlen sind von geringer oder gar keiner Bedeutung mehr für dich
  • Du setzt deine Gesundheit nicht mehr aufs Spiel und verrätst auch deine Seele nicht, um ein bestimmtes Aussehen zu haben, eine bestimmte Größe zu tragen oder eine bestimmte Zahl auf der Waage zu erreichen
  • Du versorgst deinen Körper bedingungslos mit allem, was er braucht und verlangt
  • Alles Essen ist gleichwertig und wird nicht mehr in „gut“ und „schlecht“ eingeteilt
  • Du benutzt keine Essstörungsverhaltensweisen mehr,  um mit anderen Problemen umzugehen, davon abzulenken oder sie zu bewältigen. Auch in Stresssituationen schaffst du es,  nachsichtig mit dir zu sein

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