Bedingungslose Erlaubnis zu essen

„Ich habe in mein Food Journal geschrieben, dass ich drei Schokoriegel esse und dann, als ich sie essen wollte, hatte ich eigentlich gar keinen Appetit mehr darauf und habe sie nicht gegessen“, erzählte mir meine Klientin im Coaching.

Was war da passiert?

Die Wirkung von Verboten auf unser Gehirn

Schokoriegel und generell süßes oder „Verbotenes“, haben während der Essstörung einen besonders großen Reiz auf uns. Der Gedanke loszulassen und sich ALLES zu essen zu erlauben, macht zunächst große Angst. Wir denken, wir würden, wenn wir einmal mit all den bisher verbotenen Dingen anfangen, nie mehr aufhören diese zu essen, bis wir irgendwann dick und rund sind. Das ist es schließlich, was uns die Essstörung einredet und weshalb wir überhaupt dazu übergegangen sind unser Essverhalten zu kontrollieren und Lebensmittel auf die „verbotene Liste“ zu setzen.

Umso verbotener ein Lebensmittel ist und umso mehr wir uns sagen, dass wir es nicht haben dürfen, desto größer wird das Verlangen danach.

Umso verbotener ein Lebensmittel ist und umso mehr wir uns sagen, dass wir es nicht haben dürfen, desto größer wird das Verlangen danach.

Allein der Gedanke einer Einschränkung sorgt bereits dafür, dass unser Gehirn mehr davon verlangt. Das Verbotene wird zu etwas besonderem und damit umso reizvoller. Die gleichen Gedanken spielen auch eine Rolle, wenn man weiß, dass man am nächsten Tag eine Diät beginnt. Ein Gefühl von Mangel entsteht und unser Gehirn, welches früher in der Menschheitsgeschichte oft langen Hungerperioden ausgesetzt war, da es immer wieder Phasen von Essensknappheit gab (Dürren, Eiszeiten,…), möchte gegen diesen Mangel Vorsorge treffen. Früher waren solche Situationen von Essensknappheit lebensbedrohlich. Dass wir heute mit Diäten und Verboten selbst dafür sorgen, kann es nicht wissen.  „Schnell noch alles aufessen, bevor ich nichts mehr haben kann.“ ist ein Gedanke, der häufig vor einer Diät eintritt.

Kennst du diese Gedanken auch?

Warum brauchen wir die bedingungslose Erlaubnis?

Was passiert, wenn wir uns die uneingeschränkte Erlaubnis geben, alle Lebensmittel zu essen, die wir wollen: in unbegrenzter Menge, zu jeder Zeit und ohne Bewertung von “gut” oder „schlecht“? Ich erinnere mich noch gut an meine Recovery und den Abend, an dem ich mir zum ersten Mal diese bedingungslose Erlaubnis erteilt habe. Ich saß mit fünf anderen Frauen in der Reha und vor uns lagen Berge von Süßigkeiten, die die anderen mitgebracht hatten. Normalerweise wäre ich ausgerastet, weil ich mich den ganzen Abend hätte zügeln müssen in Anbetracht der vielen verbotenen Leckereien. Nun aber saß ich da und fragte mich, worauf ich den gerade wirklich Appetit hätte. Was dann geschah, war in etwa dasselbe wie bei meiner Klientin: Mit der bedingungslosen Erlaubnis, verloren die Süßigkeiten ihren Reiz und damit ihre Macht. Es war einfach nur noch Essen und ich eigentlich viel zu satt. Ein Gefühl von innerer emotionaler Fülle und Ruhe stellte sich ein.

Doch selbst wenn wir Appetit auf all die Süßigkeiten haben, passiert uns nichts Schlimmes. Wir werden wahrscheinlich eine Zeit lang vermehrt zugreifen, bis unser Körper darauf vertraut, dass kein Mangel mehr herrscht und er diese Lebensmittel immer wieder haben kann. Darauf zu vertrauen ist zunächst gruselig, doch wenn wir nicht wieder mit Sport, Erbrechen oder anderen Verhaltensweisen der Essstörung dagegen kompensieren oder neue Verbote aufstellen (Mangel erzeugen), lernt unser Körper uns zu vertrauen und ganz intuitive Hungersignale zu senden.
Dann reichen plötzlich ein oder zwei Schokoriegel und eine halbe Tüte Chips, um zufrieden und erfüllt zu sein – emotional und körperlich gesättigt.

Bei mir fliegen inzwischen drei angefangene Chips Packungen im Schrank herum, die wahrscheinlich schon schlecht sind. Ich habe sie einfach vergessen. So etwas wäre mir früher nie passiert. Ich hätte nicht aufhören können an die verbotenen Leckereien in meinem Schrank zu denken. Heute hat kein Lebensmittel diese Macht mehr über mich.

Auch meine Klientin hat einen Vorgeschmack dieses befreienden Gefühls bekommen. Das Aufschreiben ihres Vorhabens die drei Riegel zu essen, war in diesem Moment die bedingungslose Erlaubnis, die sie sich selbst gegeben hat.

Kannst du dir vorstellen, dir die bedingungslose Erlaubnis für alle Lebensmittel zu geben?

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