Die Kraft unserer Glaubenssätze

„Du musst härter werden!“

Wie oft habe ich diesen Satz in meinem Leben gehört?
Zählen kann ich es nicht mehr, aber geglaubt habe ich diese vier Worte lange Zeit. Es begann bereits in meiner Kindheit.
Weinte ich, weil ich ein Kuscheltier mit in den Kindergarten nehmen wollte – meinen Halt und meine Sicherheit – wurde meine Trauer heruntergespielt oder es setzte gar etwas, denn ich hatte ja “keinen Grund” zu weinen.

Die Entstehung von Glaubenssätzen

Glaubenssätze sind tiefe Überzeugungen, die bereits in der Kindheit entstehen und uns oftmals ein ganzes Leben lang begleiten.

Ich war schon immer recht nah am Wasser gebaut, wie man so schön sagt. Früher dachte ich, das sei etwas Schlechtes. Heute weiß ich, ich war und bin einfach nur extrem einfühlsam und sensibel. Die Art von sensibel, die auch Unausgesprochenes hört, die Stimmungen ihres Umfeldes wahrnimmt und Ambivalenzen in Aussagen zwar heraushören, aber nicht deuten konnte, was oft zu einer emotionalen Überforderung führte. Zu dieser Grundtendenz meines Wesens, wie ich es jetzt einfach nennen möchte, kamen aber auch Überzeugungen, die ich mir aufgrund von Verhaltensweisen, Sätzen und Interpretationen aus meinem Umfeld als Kind angeeignet habe.

Die ersten sechs Jahre sind bei der Entstehung von Glaubenssätzen die entscheidendsten, da sich in diesen die Gehirnstruktur mit ihren ganzen neuronalen Netzen und Verschaltungen herausbildet.

Doch auch später noch prägen sich Erfahrungen, die wir mit unseren engsten Bezugspersonen machen tief in unser Gehirn ein und führen dazu, dass wir unser Selbstbild entwickeln. Je nach unseren Erlebnissen können die erlangten Überzeugungen positiv und hilfreich sein oder negativ und begrenzend.
Positive Erlebnisse mit unserem Umfeld führen daher eher zu einem besseren Selbstwertgefühl, als negative, die dafür sorgen, dass wir auch als Erwachsene schnell an uns zweifeln, deprimiert sind und uns selbst oder anderen Menschen weniger vertrauen.
Ich stelle es mir auch gern vor wie das Wachsen einer Pflanze: Bekommt sie genug Wasser, Licht und Wärme, wird sie stark und wunderschön erblühen. Wächst sie jedoch auf kargem Boden, erhält nur sporadisch Wasser und das Klima wechselt ständig, wird sie es schwerer haben zu erblühen, falls sie es überhaupt schafft zu gedeihen.

Sprach ich in meiner Kindheit und Jugend meine Gefühle an und versuchte zu erklären, was ich wahrnahm, dass ich mich ausgeschlossen oder einsam fühlte, folgte häufig der Satz: „Du musst härter werden!“ Und je öfter ich ihn hörte, desto mehr begann ich zu glauben, dass etwas mit mir nicht stimmt, ich zu sensibel und schwach sei.

Die kleine Romy schlussfolgerte damals für sich:
“Ich kann meiner Wahrnehmung nicht trauen.”
“ Meine Gefühle sind falsch – Ich bin falsch.”
“Ich darf nicht schwach sein.”

Auswirkung negativer Glaubenssätze

Diese Glaubenssätze sorgten dafür, dass ich mein Leben nach ihnen ausrichtete und damit die längste Zeit gegen mich und meinen Körper lebte.
Ich begann bereits als Kind damit auf emotionalen Schmerz mit Selbstverletzungen zu reagieren, anstatt ihn offen nach außen zu kommunizieren. So hatte ich wenigstens einen “Grund” zu weinen. Später kamen Nichtessen oder Essanfälle und bulimische Phasen als Bewältigungsstrategie hinzu. Ich wusste einfach nicht, wohin ich meine ganzen Gefühle lenken sollte.
Ich spürte sie im ganzen Körper und sie am Ausbrechen zu hindern, brachte mich innerlich beinahe zum Bersten. Ein Ventil musste her.

Wut, Trauer, Angst, Einsamkeit, Leere…jedes unerwünschte Gefühl habe ich unterdrückt und gegen mich gerichtet, wenn es niemand sah.

Nach außen war ich stark, doch es fühlte sich an wie das Tragen einer Maske (Foto: Lady Bathory-Fotodesign, Model: Romy Hörbe)

Meine Glaubenssätze ließen mich schon in der Grundschule an Versagens- und Lebensängsten leiden. Ich glaubte sehr früh, dass das Leben kompliziert sei. Wenn man sich vorstellt, dass sich ein Kind in seinem Innersten immer wieder mit widersprüchlichen Botschaften seines Umfeldes auseinandersetzen muss und nicht auf seine eigene Wahrnehmung vertrauen kann, ist es das gewissermaßen auch.
Ich jedenfalls fand, solange ich an meinen negativen Glaubenssätzen festhielt immer wieder “Beweise” für ihre Richtigkeit. Meine Schutzstrategien, die ich entwickelt hatte, um durchs Leben zu kommen und die sich in den selbstschädigenden Verhaltensweisen äußerten, hinderten mich daran ein gesundes und glückliches Leben zu führen.
Das “Schattenkind” in mir, mit all seinen negativen Überzeugungen vom Leben, nahm sehr viel Raum ein.

Erst in meiner Recovery schaffte ich es, mich mit diesen Glaubenssätzen auseinanderzusetzen, gesündere Verhaltensweisen zu entwickeln und mein “Sonnenkind” zu stärken.

Glaubenssätze auflösen

Um seine Glaubenssätze auflösen zu können, muss man sie zunächst einmal entdecken. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil meines Coaching da du dir selbst deiner Glaubenssätze oft gar nicht bewusst bist.

Vielleicht sind dir beim Lesen bereits ein paar deiner eigenen inneren Überzeugungen aufgefallen. Negative Glaubenssätze treten besonders dann auf, wenn etwas nicht so gut läuft, wir an uns zweifeln, uns etwas nicht zutrauen oder denken, etwas nicht zu verdienen.

Beispiel hierfür können sein:
“Ich bin nicht gut genug.”
“Ich bin nicht “dünn genug”
“Ich bin nur schlank liebenswert.”
“Dicke Menschen sind einsam!”
“Ich bin nur wertvoll, wenn ich etwas leiste.”
“Ich bin eine Last.”
“Ich kann mir selbst nicht vertrauen.”
“Ich muss meinen Körper kontrollieren.”

Ein wichtiger Schritt, um die erkannten Glaubenssätze aufzulösen, ist sie zu hinterfragen:

– Stimmt dieser Glaubenssatz?
– Kann ich mir dessen zu 100 Prozent sicher sein?
– Wie wirkt es sich auf mich aus, wenn ich diesen Glaubenssatz glaube?
– Was wäre, wenn das Gegenteil der Fall wäre?

Affirmationen

Affirmationen sind positive Glaubenssätze, mit denen wir unsere negativen Überzeugungen nach und nach umschreiben können.

Menschen mit einem starken “Sonnenkind”, die in ihren ersten Lebensjahren vor allem positive Erfahrungen gemacht haben, sprechen viel häufiger nachsichtig, vertrauensvoll und liebenswert mit sich. Sie sind innerlich gut gefüllt mit positiven Affirmationen, die dazu führen, dass sie meist glücklicher, selbstbestimmter und erfolgreicher durchs Leben gehen. Sie haben weniger Angst zu versagen und vertrauen sich und ihrem Körper.

In jedem von uns wohnen sowohl ein “Schatten-” als auch ein “Sonnenkind”, denn wir alle haben in unserer Kindheit sowohl positive als auch negative Erfahrungen gemacht. Bei mir gab es zum Beispiel meine Oma, die mich in den Schlaf gekrault und mir Sicherheit und ein offenes Ohr gegeben hat oder meine Mama, die mir aus meiner Bettdecke einen Zipfel zum Kuscheln geformt hat. Glückliche Momente, in denen ich mich geliebt und wertvoll gefühlt habe.
Um unser inneres “Sonnenkind”zu stärken, können wir ganz bewusst Affirmationen nutzen.
Diese entstehen zum Beispiel, wenn wir die negativen Glaubenssätze umkehren:

“Ich bin liebenswert, unabhängig von meinem Gewicht”
“Ich bin gut genug, so wie ich bin.”
“Ich bin eine Bereicherung für die Welt.”
“Ich tue genug.”
“Ich bin ein herzlicher und liebenswerter Mensch.”
“Ich verdiene es gesund zu sein.”
“Mein Gewicht ist das Uninteressanteste an mir.”

Am Anfang fühlt es sich sehr ungewohnt an, diese Sätze laut auszusprechen, besonders dann, wenn wir sie (noch) nicht fühlen können. Doch unser Gehirn ist plastisch und gewöhnt sich nach einiger Zeit und Übung um, sodass es leichter wird. Je häufiger wir positiv mit uns sprechen, desto mehr Selbstannahme und Selbstliebe werden wir in uns verankern und umso weniger können uns Einflüsse von außen verletzen oder verunsichern.

Der positive Effekt aufgelöster negativer Glaubenssätze

Vor ein paar Tagen rief ich meine Oma an. Es war ein aufwühlendes Gespräch und auf eine emotionale Reaktion meinerseits sagte sie wie gewohnt:
“Du musst härter werden!”
Doch diesmal war etwas anders.
Eine Stimme in mir schoss hervor und stellte sich schützend vor meine innere Grenze.
“NEIN!” sagte sie ganz bestimmt: “Ich muss nicht härter werden. Ich bin genau richtig so wie ich bin. Ich darf weich und verletzlich sein.”

Und gleichzeitig meldete sich noch eine Stimme in meinem Kopf – Die Stimme der Nachsicht. “Weißt du, härter sein war womöglich Omas Schutzstrategie als Kind und das ist okay.” In diesem Moment herrschte so etwas wie Frieden. Am anderen Ende der Leitung vernahm ich plötzlich ein leises Schluchzen, als hätte etwas Unausgesprochenes ihre starke Mauer kurz erschüttert. Noch bevor ich denken konnte, sagte ich zu meiner Oma: “Weißt du, manchmal ist es vielleicht auch okay weich zu sein.”

Nach dieser emotionalen Klärung war es uns wieder möglich aufeinander zuzugehen. Heute fällt es mir viel leichter, ihr ihren eigenen Anteil, der überhaupt nichts mit mir zu tun hat zurückzugeben und bei ihr zu belassen, sodass ich mich nicht mehr persönlich angegriffen fühle.

Ich habe in meiner Recovery nicht nur den gesunden Umgang mit dem Essen gelernt, sondern vor allem zu mir und meinem Kern zurückgefunden. Das Auflösen der negativen Glaubenssätze in meinem Leben war dafür ein wichtiger Schritt.
Ich habe zu meinem wahren ICH gefunden – mich auf eine völlig neue Weise kennen und verstehen gelernt.
Ich akzeptiere mich so wie ich bin und habe die weiche Seite in mir schätzen und lieben gelernt.
Sie ermöglicht mir einfühlsam in meiner Arbeit zu sein und mit Menschen auf eine Art Kontakt aufzubauen, für die ich unglaublich dankbar bin.
Was für eine Pädagogin wäre ich ohne Einfühlungsvermögen?
Was für ein Coach könnte ich sein?
Ich bin im Frieden mit mir.

Dich mit deinen eigenen Glaubenssätzen zu beschäftigen, ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zur Heilung. Wenn du Unterstützung dabei benötigst oder trotz allem Wissen noch immer nicht weißt, wie du nun ins Handeln kommen sollst, dann schreib mir gern und ich begleite dich auf deinem Weg.

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