Recovery Playlist – Musik als Selbstfürsorge-Tool

Hörst du gern Musik?
Läuft sie eher nebenbei oder berührt sie dich in deinem tiefsten Inneren – so wie mich?

Wenn Musik auch für dich ein wichtiger Bestandteil deines Lebens ist, dann ist dieser Beitrag für dich. Ich möchte dir zeigen, wie du Musik aktiv nutzen kannst, um dich emotional zu unterstützen. Mich hat sie zudem auf ganz entscheidende Weise auf meinem Weg aus der Essstörung begleitet.

Musik als emotionales Ausdrucksmittel

„Music was my first love, and it will be my last.“

Musik war schon immer einer der direktesten Wege in mein Herz.
Selbst als ich den Zugang zu mir und meinen Gefühlen glaubte verloren zu haben, war sie für mich da.
Musik ist lange Zeit mein größtes Ausdrucksmittel gewesen, wenn mir selbst die Worte oder der Mut gefehlt haben, zu sagen was ich fühle.
Musik bringt mich zum Lachen, Tanzen, Weinen. Sie lässt mich alles vergessen oder verstärkt die Gefühle, die gerade präsent sind.
Ich kann sie nutzen, um mich aus Gefühlen herauszuholen, oder tiefer in sie hineinzutauchen.
Wenn ich Erinnerungen wecken möchte, wähle ich das passende Lied dazu.
Manchmal höre ich auch ein Lied und werde ganz unfreiwillig, wie in einer Zeitmaschine, in eine vergangene Situation zurückbefördert.
Musik ist ein unglaublich starkes Tool, welches ich für mich nutzen, oder sogar gegen mich verwenden kann. In meiner Jugend habe ich tatsächlich die düsterste Musik gehört und rückblickend betrachtet weiß ich, dass das nicht unbedingt hilfreich war, weil es meinen niedergeschlagenen Zustand nur noch verstärkt hat. Aber damals habe ich mich in den Texten so verstanden gefühlt. Ich hatte niemanden in meinem Familien- oder Freundeskreis, bei dem ich mich öffnen konnte oder verstanden gefühlt habe und irgendwann hörte ich auf zu sprechen und begann mich im lauten Abspielen meiner Songs auszudrücken, in der Hoffnung, dass dann endlich jemand verstehen würde, wie es tief in meinem Inneren aussieht. Spoiler: Das hat natürlich nicht funktioniert, weil die wenigstens Menschen so sehr auf Songtexte achten wie ich, oder mit der englischen Sprache nicht so vertraut sind.

Inzwischen habe ich gelernt, über meine Gefühle zu sprechen und sie nicht allein mit mir und der Musik auszumachen. Das wiederum hat dazu geführt, dass Musik, neben meinen ätherischen Ölen, zu einem meiner wichtigsten Selbstfürsorge-Tools geworden ist. Sie hat mir den Weg aus der Essstörung definitiv erleichtert und mich auch in schwierigen Situationen ermutigt, dranzubleiben und die Hoffnung nicht aufzugeben.

Musik als Selbstfürsorge-Tool

Vielleicht fragst du dich jetzt, wie Musik dich dabei unterstützen kann in der Recovery voranzukommen.
Ebenso wie Gerüche, wirkt auch Musik direkt auf dein limbisches System, dem Sitz deiner Emotionen. Sie hat Einfluss auf zahlreiche physikalische Vorgänge in deinem Körper. Bestimmte Klänge wirken sich positiv auf deine Atmung, Herzfrequenz, deinen Blutdruck und sogar deinen Hormonspiegel aus. Musik kann dich daher dabei unterstützen zu entspannen, loszulassen, dich zu beruhigen oder dich ermutigen.
Fröhliche oder beruhigende Musik begünstigt zudem die Ausschüttung von Noradrenalin, welches wiederum dem Stresshormon Cortisol entgegenwirkt. Umso entspannter du bist, desto leichter fällt es dir, auf die Signale deines Körpers zu hören, nachsichtig mit ihm und dir selbst zu sein und dranzubleiben.
Auch bei Ängsten, Wut und innerer Anspannung ist Musik unglaublich kraftvoll.

In meiner Zeit als Erzieherin durfte ich täglich erleben, wie kraftvoll Musik ist, wenn Worte, nicht mehr helfen. Wenn ich in einer Gruppe aus zehn brüllenden Kleinkindern stand, half oft nur noch der Griff zu Gitarre. Bereits nach wenigen Akkorden kehrte Ruhe ein und die Kinder begannen sich zu entspannen – und ich ebenso. 😅

Empowering Recovery Playlist

Hier habe ich dir eine Playlist mit Songs zusammengestellt, die sowohl inhaltlich als auch musikalisch ermutigend sind. Du kannst sie dir jederzeit anhören, wenn du das Gefühl hast festzustecken, aufgeben zu wollen oder einfach etwas Zuversicht brauchst.
Du kannst dir auch gern deine ganz persönliche Playlist erstellen mit Liedern, die dich berühren, aufmuntern, dir Hoffnung und Energie geben.

Paramore – Last Hope (Apple)

Ich liebe dieses Lied, weil es ausdrückt, dass es immer Hoffnung gibt. Vielleicht sieht es heute noch nicht danach aus, aber eines Tages wird es besser sein.
„Last hope“ schenkt Mut, die eigenen Gefühle zu fühlen und weiterzumachen, auch wenn der Hoffnungsschimmer zunächst nur ganz leicht glüht. Es erinnert dich daran, dass du schon so viele schwere Zeiten durchgestanden hast und die Stärke besitzt, auch diese Situation zu bewältigen.

It’s just a spark
But it’s enough to keep me going
And when it’s dark out, no one’s around
It keeps glowing

And the salt in my wounds
Isn’t burning any more than it used to
It’s not that I don’t feel the pain
It’s just I’m not afraid of hurting anymore

Lina Maly – Unterwegs (Apple)

Dieses Lied hat mich im wahrsten Sinne des Wortes am Laufen gehalten. Wann immer ich an mir gezweifelt habe. Es hat mir mein Ziel immer wieder vor Augen geführt und mir unglaublich viel Mut geschenkt. Auch wenn ich nicht wusste, wie meine Recovery für mich ausgeht. „Unterwegs“ hat mich dazu ermutigt, die Verantwortung für mein Leben in die eigene Hand zu nehmen und nicht mehr darauf zu warten, dass irgendwer im Außen mich heilt. Auch wenn die Recovery unglaublich beängstigend war, hätte ich doch noch mehr Angst gehabt mein eigenes Leben zu verpassen, wenn ich mich nicht auf den Weg aus der Essstörung begebe.

Ich bin die Schranke im Kopf, die ich aufmachen kann
Ich hab‘ tausend Ideen, ich fang‘ grade erst an
Alles, was ich brauch‘, liegt vor mir
Was ich mich nicht trau‘, erleb‘ ich nicht
Und jeder Schritt, den ich geh‘, verändert mich
Ich bin längst unterwegs, keiner kann mir das nehm’n
Und wer weiß schon, wo die Zeit mich hinträgt?
Ich bin längst auf dem Weg, keine Angst wird mich lähm’n

Paula Cole – Me (Apple)

Dieses Lied habe ich tatsächlich erst in meiner Ausbildung zum Recovery Coach bei Carolyn Costin kennengelernt. Ich habe darin jedoch sofort mein altes Ich, vor der Recovery, wiedererkannt.
Die ersten Zeilen beschreiben für mich das Gefühl eine Maske aufzusetzen. Nach außen wollte ich stets das Bild der selbstbewussten Romy wahren und funkltionieren war das Wichtigste für mich. Bloß keine Schwäche zeigen. Wie es wirklich in mir aussah wusste zwischen meinem 20. und 30 Lebensjahr kaum jemand. Wenn ich auf Arbeit kam, setzte ich mein Lächeln auf, doch sobald am Abend die Wohnungstür ins Schloss fiel, war ich nur noch leer. Ich hatte oft das gefühl „falsch“ zu sein, weil ich mir nicht traute Ich zu sein. Ich hatte Angst vor meinen Gefühlen und sie daher tief unter der Essstörung und selbstverletzenden Verhaltensweisen vergraben. Die meiste Zeit war ich mir selbst fremd, doch gleichzeitig hatte ich ein zartes Gefühl, beinahe eine Ahnung, dass da noch mehr ist für mich und mein Leben als der ständige Kampf gegen mich.
Mit Beginn meiner Recovery und der Krankheitseinsicht, begann ich auf der Brücke zwischen Krankheit und Gesundheit zu stehen. Ich wusste, dass mein Leben mehr für mich bereithalten würde, wenn ich schaffe über die Brücke zu gehen und gleichzeitig hatte ich riesige Angst davor meine Essstörung und alles was ich damit verband loszulassen.
Dieses Lied heute mit Abstand zu hören macht mich unglaublich glücklich, weil ich es geschafft habe. Die Ahnung von einem besseren Leben hat sich bewahrheitet.

And it’s me who’s too weak
And it’s me who’s too shy
To ask for the thing I love
And it’s me who’s too weak

I am walking on the bridge

I am over the water
And I’m scared as hell
But I know there’s something better
Yes I know there’s something

Jenni Schaefer – Life without Ed (Apple)

In diesem Lied beschreibt die Sängerin, die zudem die Autorin des gleichnamigen Buches und „Goodbye ed, hello me“ ist, ihre Trennung von der Essstörung wie die von einer destruktiven Beziehung. Sie nennt ihre Essstörung ED (Eating Disorder) und beschreibt sie als eine Person, die ihren Verstand kontrolliert und sie quält. ED versucht sie immer wieder in den schädlichen Verhaltensweisen festzuhalten, bis sie eine weitere, weitaus stärkere Stimme wahrnimmt (ihr gesundes Ich), die ihr aufzeigt, dass das Leben so viel mehr für sie bereithält und sie gesund werden. kann. Jenni hat ihre eigene Essstörung überwunden und möchte mit diesem Lied anderen Betroffenen Hoffnung schenken.

I was chasing down the image for so long
Of that perfect girl that I just had to be
She was never quite the one I thought I saw
How I let that dreadful mirror torture me
It was killing me to try to look like her
The amazing woman who could turn each head
I was losing so much more than all the weight
My very heart and soul were left unfed

I called the monster Ed
He so controlled my head
Until a greater power spoke the truth it said
Life without Ed is waiting here for you
Be strong keep the faith and you’ll see it coming true
You don’t have to just pretend
All the pain can really end

Sinead O’Connor – The healing room (Apple)

Das letzte Lied, welches ich dir vorstellen möchte, ist ein wenig spiritueller.
Wir alle kommen mit einem „gesunden Ich“, unserem wahren Kern, auf die Welt. Es ist der mitfühlende, ruhige Teil in uns, der von unserer Intuition stammt. Dieses „gesunde Ich“ ist von Natur aus weise, urteilsfrei und sein höchstes Ziel ist es, gut auf uns aufzupassen und für uns zu sorgen. Selbst während der Essstörung ist es vorhanden. Dann zeigt es sich jedoch eher dadurch, dass es sich für andere Menschen einsetzt. Carolyn Costin nennt diesen Anteil auch „Soul Self“.
Im Laufe unseres Lebens machen wir jedoch verschiedene Erfahrungen und entwickeln Bewältigungsstrategien, die dafür sorgen, dass sich ein zweiter Teil unserer Persönlichkeit, unser „essgestörtes Ich“, herausbildet. Dieses hat eigene Werte, Regeln und Glaubenssätze und ist eher urteilend.
Ziel der Recovery ist es, dass du mit deinem gesunden Anteil wieder in Kontakt kommst. Wenn du den Zugang zu deinem Soul Self wiedererlangst, wirst du in schwierigen Situationen irgendwann nicht mehr auf Verhaltensweisen der Essstörung zurückgreifen wollen.
Dieses Lied soll dich ermutigen, dich wieder mit diesem Soul Self zu verbinden. Umso mehr du mit dir selbst in Kontakt bist, desto besser kannst du auf die Gedanken der Essstörung antworten, anstatt mit Verhaltensweisen wie Verzicht, Sport oder Erbrechen darauf zu reagieren.
Nur du selbst kannst dich aus der Essstörung herausholen. Andere Menschen können dir eine wertvolle Unterstützung sein, aber der letzte Schritt liegt immer bei dir.
Um diesen Healing Room in dir zu finden, kannst du zum Beispiel, Meditation, Yoga, Naturerlebnisse oder das Sammeln von Soul Moments nutzen. Auf diesem Weg wirst mit der Zeit den Schlüssel zu diesem sicheren Ort in dir finden.

I have a universe inside me
Where I can go and spirit guides me
There I can ask oh any question
I get the answers if I listen
I have a healing room inside me
The loving healers there they feed me
They make me happy with their laughter
They kiss and tell me I’m their daughter
I’m their daughter
They say
You have a little voice inside you
It doesn’t matter who you think you may be
You’re not free if you don’t know me

 

 

Ich hoffe sehr, dass dich diese Lieder auf deinem Weg inspirieren können. Vielleicht hast du auch Lust bekommen, dir deine eigene Playlist zu erstellen. Musik ist, wie auch Geschmack oder die Vorliebe für Gerüche sehr individuell und nur weil diese Lieder für mich gut funktionieren, müssen sie es nicht für dich.
Wichtig ist, dass du für dich etwas findest, was dich in schwierigen Situationen unterstützt.

Schreib mir gern auch in die Kommentare, welche Lieder dich motivieren und dir guttun.

1 Kommentar zu „Recovery Playlist – Musik als Selbstfürsorge-Tool“

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