Mein Weg aus der Essstörung

Romy Hörbe, März 2019

Ich bin...

Ich bin neugierig, immer auf der Suche nach neuen Impulsen und immer dabei aus dem, was ich gerade zur Verfügung habe das meiste herauszuholen – sei es beim Essen, der Rezeptentwicklung oder bei Fotoshootings. 

Ich lasse mich gern inspirieren und verbinde die vielen Impulse dann zu etwas ganz eigenem.

Ich liebe es zu singen, zu tanzen, zu reisen, neue Länder, Menschen, Rezepte, Lebensmittel, Weltanschauungen … einfach das Leben mit allen Sinnen zu entdecken und genießen.

 

Doch das war nicht immer so...

Was bisher nur wenige wissen: Ich bin auch eine Kämpferin. Mein Leben lang habe ich gekämpft, jedoch den Großteil davon nicht zu meinen Gunsten und eher gegen mich selbst.

Bis vor wenigen Jahren war ich der festen Überzeugung, keine Existenzberechtigung auf dieser Erde zu haben, nicht (gut) genug und nicht liebenswert zu sein. 

Diesen Glaubenssatz habe ich mit destruktiven Verhaltensweisen gefüttert, bis ich schließlich beinahe wirklich im wahrsten Sinne „verschwunden“ wäre. Ich war auf dem besten Weg mich selbst zu zerstören. Ich entwickelte eine Essstörung (Anorexie), definierte mich über sie und ließ meinen persönlichen Wert von der Zahl auf der Waage und der Sichtbarkeit meiner Knochen bestimmen. Ich lebte für meine Krankheit, aber eigentlich war ich gar nicht mehr da. Ich wollte verschwinden, weil sich die Stimme in meinem Kopf festgesetzt hatte, die mir einredete:

  • „Du bist nichts wert.“
  • „Du musst es dir erst verdienen (geliebt zu werden, zu essen, glücklich zu sein …)“
  • „Du bist nicht (gut) genug.“

Außerdem nutzte ich meinen Körper als Ausdrucksmittel für all das was ich mir nicht zu sagen traute und hoffte, dass meine Umwelt das doch bitte erkennen möge. Was natürlich nicht funktionierte.

Der Moment der Veränderung

Genau genommen war dieser Moment eher ein Prozess. Durch meine Erkrankung wurde ich arbeitsunfähig und bekam ein Zahl vorgesetzt, die ich auf die Waage bringen musste, um wieder einsatzfähig zu sein. Eine externer Anreiz, der mich dazu brachte halbherzige Recovery-Versuche zu unternehmen. Die Waage ging ein paar Gramm hoch, dann wieder runter. Dann wieder hoch … und wieder runter.

Ich war nicht bereit meinen kranken Körper und all das wofür er stand loszulassen. Ich war gefangen in einem Kreislauf aus gesund werden, aber nicht zunehmen wollen. Meine Wiedereingliederung wurde in diesem Prozess gestoppt und ich stand wo ich stand. Mal wieder …

Dieser Rückschlag brachte mich schließlich zum Aufwachen. Ich musste eine Entscheidung treffen: Wollte ich ein Leben in Krankheit, immer am Limit, gerade so überlebend in Restriktion, Selbstbestrafung und Destruktivität leben? Oder wollte ich gesund werden, wirklich anfangen zu leben, zu genießen, mein Potential entfalten und mich frei machen von all den limitierenden Gedanken?

Ich entschied mich für letzteres und begann meinen Kämpfergeist ins Positive umzuwandeln. Ich gestand mir zum ersten Mal wirklich ein krank zu sein und malte mir aus, wie mein Leben verlaufen würde, wenn ich nicht endlich Verantwortung für mich und mein Zukunft übernehme. Ich kann nur sagen, dass das was ich da gesehen habe so düster war, dass es mir Angst gemacht hat. Tiefgehend und nachhaltig. In einem langen Prozess intensiver Arbeit an mir und mit viel Unterstützung, fand ich meine Antreiber und Gründe, für die es sich lohnt gesund zu werden.

Ich blühte langsam auf und die Lebendigkeit und Energie kehrte in meinen Körper zurück. Ich lasse sie jetzt in mein Leben.

Seitdem habe ich intensiv an meinem Gewicht, meinem Selbstbild und noch stärker an meinem Mindest gearbeitet.

Lasst uns aufblühen!

Allen da draußen, die sich ein Stück weit in meiner Geschichte wiedererkannt haben, die mit sich, ihrem Körper oder ihrem Leben hadern, möchte ich sagen:

  • Wir sind einzigartig, wunderschön und wertvoll genau so wie wir sind.
  • Wir verdienen es, gesund und glücklich zu sein und uns (wenn nötig) Unterstützung auf unserem Weg zu holen.
  • Wir müssen nicht „krank genug“ sein, um Hilfe zu verdienen: Essstörungen treten in allen Körpergrößen auf und nicht erst ab einem „offiziell kranken“ BMI
  • Diäten halten uns klein und davon ab, unser wahres Selbst zu entfalten und in Fülle zu leben
  • Wir dürfen nicht darauf warten, dass uns jemand „rettet“, denn die Kraft dazu haben nur wir selbst.
  • Unser Körper ist unser Freund, nicht unser Feind. Er arbeitet stets für uns und erlaubt uns all die tollen Dinge im Leben zu tun (lachen, tanzen, singen, kuscheln, lesen, schwimmen, rennen, Musik hören, umarmen, Dinge mit unseren Händen kreieren …)
  • Unser Körper reguliert sich und sein Gewicht selbst dahin, wo er sich am wohlsten fühlt (Set Point). Wir müssen nur wieder lernen auf all seine Signale zu achten, ihm zu vertrauen und ihm zu geben wonach er verlangt.
  • Unser Herz, unsere Wärme, unsere Freundschaft, unser Strahlen und all das was wir zu geben haben, ist das wofür wir hier sind. Niemand wird je sagen: „Sie war so ein toller Mensch, weil sie Größe XS trug.“
  • Behandle dich selbst mindestens so gut, wie du deine beste Freundin behandeln würdest.
  • Wir alle haben unsere individuellen Stärken. Lasst sie uns entdecken und in die Welt bringen.
  • Es ist nie zu spät für eine tolle Zukunft.

Lasst uns lachen genießen, Spaß haben, fühlen und leben bis zur LebEndigkeit

Danke, dass ihr hier seid!

Heute weiß ich...

Ich allein entscheide in welche Richtung mein Leben verläuft.

  • Mein Körper arbeitet nicht gegen, sondern für mich.
  • Meine Vergangenheit ist genau das: vergangen.
  • Meine Zukunft gestalte ich selbst.
  • Gedanken sind machtvoll, denn sie haben die Kraft, Dinge zum Positiven wie auch zum Negativen zu verändern. Die Richtung entscheide ich.
  • Es wird immer wieder Rückschläge geben, aber anstatt mich wie früher zu bemitleiden, kann ich mich jetzt fragen, was ich daraus für die Zukunft lerne.
  • Mein Glück hängt nicht von der Zahl auf der Waage oder der Kontrolle, die ich auf meinen Körper ausübe, ab.
  • Ich kann mir selbst helfen UND ich darf mir von anderen helfen lassen
  • „Gerade genug“ ist NICHT genug!
  • Ich habe viel zu geben, aber das geht nur wenn ich selbst gesund bin und gut für mich sorge.
  • Ich war mein größter Feind, also kann ich auch meine beste Freundin sein.
  • So wie ich mit mir selbst umgehe, erlaube ich auch anderen mit mir umzugehen.

Selbstliebe und Selbstakzeptanz sind nicht egoistisch sondern Grundvoraussetzung, um auch anderen Menschen mit Liebe begegnen zu können. 

Es war ein langer Weg bis zu diesem Punkt und ich werde auch zukünftig noch viel lernen, worauf ich mich schon jetzt freue. Jeder einzelne Schritt bis hier her war eine Herausforderung und ich bin froh, diesen Weg immer weiter gegangen zu sein. Ich bin dankbar für all die Unterstützung, die ich bekommen habe.

Ich bin aber auch überrascht, wie vielen Menschen es ähnlich geht wie mir. Ich habe so viele Kämpfer/Innen kennengelernt, die mich tief beeindruckt, berührt und inspiriert haben. Indem ich meine Geschichte teile, möchte ich ein wenig davon zurückgeben und hoffe, dass sich der ein oder andere ebenfalls ein paar Impulse mitnehmen kann.

 

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